Was ich gerade tue ist ja überdeutlich. Ich durchschaue mich durchaus. Aber enttäuschenderweise führt diese Klarheit nicht dazu, anders zu handeln. Ich boykottiere mich trotzdem.
Was ich meine: Ich bin immer noch wegen der geschwollenen Wange und des Zahns krankgeschrieben, gleichzeitig geht es mir aber viel besser. Kaum noch Schmerzen und endlich, endlich geht auch die Schwellung ein wenig zurück. Ich hätte also wirklich viel Zeit, mich endlich meinem „Projekt“ zu widmen. Zu sichten und zu ordnen, zu verwerfen und zu überarbeiten. Was ich stattdessen tue: Ich erfinde tausend neue Projekte, ich sprudele nur so über vor Ideen. Ich wasche die Wäsche und fege den Flur. Dann erinnere ich mich daran, dass ich mich noch schonen muss, damit die Entzündung wirklich ausheilt.
Gestern z.B., da ging es mir noch nicht ganz so gut, aber gut genug, um ein wenig zu arbeiten, habe ich ein uraltes Romanfragment von mir selbst gelesen. Einen Text, den ich längst für tot erklärt habe. Aber auch von dort springe ich auf, um mich etwas anderem zu widmen.
Mein Interesse für irgendetwas Zusammenhängendes lässt sich einfach nicht wecken. Ich springe von einem zu anderen, als wäre ich auf der Flucht. Und genau das bin ich ja auch. Es ist als könnte ich dem eigenen magischen Denken nicht entkommen, das mir sehr erfolgreich einredet, alles, was ich jemals gut hinbekommen habe, wird sofort nichtig, wenn ich Mist schreibe. Also schreibe ich nicht. Kein Wort.
Oder eine andere mögliche Erklärung: Alles soll schnell gehen, gleich auf den Punkt formuliert und möglichst ohne lange recherchieren zu müssen. Bloß keine Umwege und Verbesserungen, Verwerfungen und Neuanfänge. Dabei sagt doch jedes Symptom, das mein Körper mir schickt: Übe dich in Geduld.
Vielleicht habe ich nur eine rasende Angst davor, den Unterschied nicht zu erkennen, zwischen dem Vertrauen ins eigene Schreiben und der Notwendigkeit mit kühlem Kopf zu überarbeiten und zu verwerfen.
Und dann lese ich eine sehr schöne und gründliche Besprechung von Marguerite Duras „Schreiben“, einem meiner Lebensbücher. Und darin diesen Satz: „Das Schreiben gefährdet sich selbst.“ Auch sie hat mich durchschaut. Was Marguerite Duras getan hat, um dieser Gefährdung nicht zu entgehen, sondern immer wieder einen Weg zu finden, sich darauf einzulassen, ist bekannt. Alkohol und Liebhaber.
Was werde ich finden als Gegenzauber? Wie bringe ich mich dazu, die Gefährdung einzugehen? Die Antwort wird damit zu tun haben, die eigene unüberwindliche Einsamkeit anzuerkennen und anzunehmen, ebenso wie sich der Herausforderung zu stellen, die eigene Beschränktheit und das eigene Ungenügen nicht auszustellen, aber sich all dem auszusetzen, um eine fragile, ständig neu auszulotende, Balance zu finden. Der Weg liegt klar vor mir. Was fehlt, ist der Mut ihn zu betreten.
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