Dobrindt manipuliert bei der Vorstellung des Verfassungsschutz-Berichtes
1.400
Dobrindt manipuliert bei der Vorstellung des Verfassungsschutz-Berichtes
von Thomas Laschyk | Juni 11, 2025 | Faktencheck
47 % mehr rechtsextreme Straftaten und 24 % mehr Rechtsextremisten als im Vorjahr (davon fast die Hälfte in der AfD), aber „gewaltorientierte Linksextremisten“ „steigen deutlich“ laut Innenminister Dobrindt von 11.200 auf 11.200 (Kein Tippfehler). Er nutzte auch manipulative Grafiken, die den viel weiter verbreiteten Rechtsextremismus verharmlosen.
Rechtsextremismus ist die größte Bedrohung
Der Rechtsextremismus ist mit großem Abstand die größte Bedrohung für die Sicherheit in Deutschland. Das geht auch aus dem neuen Verfassungsschutzbericht für 2024 hervor. Und der Rechtsextremismus ist 2024 noch einmal um ein großes Stück größer und gefährlicher geworden. Das rechtsextremistische Personenpotenzial ist um ein knappes Viertel gestiegen – von 40.600 auf 50.250 Personen. Darunter sind auch 15.300 Gewaltbereite – ebenfalls ein Anstieg. Auch die rechtsextremen Straftaten stiegen um fast 50 % an – auf 37.835. Auch die Gewalt stieg um 11,6 % auf 1.281 Delikte. Fast die Hälfte dieser Rechtsextremen sind wiederum in der AfD – damit ist fast jedes zweite AfD-Mitglied im Verfassungsschutz-Bericht.
Ohne die Zahl der erwähnten Linksextremisten oder Islamisten verharmlosen zu wollen: Die Zahlen sind dort durch die Bank teils viel kleiner als beim Rechtsextremismus. Und jene haben keine Partei, die ihre Interessen als offiziell extremistische Bestrebung im Bundestag vertritt. Das Personenpersonal blieb jeweils auf einem ähnlichen Niveau bzw. stieg nur leicht. Linksextreme Gewalt ist sogar um ein Viertel gesunken auf 532 Delikte. Wobei es sich bei über einem Viertel nicht um echte Gewalttaten handelt. „Widerstandsdelikte“ enthalten auch den definitionsgemäß gewaltfreien (!) § 113 StGB. (Das ist der gewaltfreie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte – wenn man sich zum Beispiel bei einer Festnahme irgendwo festhält.)
Es sind einfach andere Dimensionen. So hat es Innenminister Alexander Dobrindt aber nicht dargestellt.
Polizei auch dann „Gewaltopfer“, wenn keiner oder nur sie selbst zuschlägt
Dobrindt verschweigt, dass Rechtsextremismus die größte Bedrohung ist
Bei der Präsentation des Verfassungsschutz-Berichtes 2024 in Berlin hat Bundesinnenminister Alexander Dobrindt nicht nur auf alarmierende Zahlen hingewiesen, sondern versucht, den Rechtsextremismus im Verhältnis zu anderen Gefahren kleiner erscheinen zu lassen. Gleich zu Beginn verzichtete er darauf, im Vorwort den Rechtsextremismus als größte Bedrohung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu benennen.
Etwas, das nicht nur de facto unzweifelhaft wahr ist, sondern auch eine Tradition, die noch von seinen Vorgängern Nancy Faeser und Horst Seehofer gepflegt wurde. Stattdessen fasste er alle Extremismen in einem einzigen Satz zusammen, ohne den massiven Zuwachs bei Rechtsextremen besonders zu unterstreichen. Auch die Tagesschau übernahm unkritisch diese irreführende Darstellung.
Dobrindt verstieg sich bei seiner Relativierung von Rechtsextremismus verbal auch in glatte Unwahrheiten: In der Pressekonferenz behauptete er: „Und auch da, gewaltorientierte Linksextremisten steigen deutlich auf 11.200“. Die Zahl war in Wahrheit jedoch unverändert, im Vorjahr waren es ebenfalls exakt 11.200. Auch auf der Grafik war es so eingezeichnet. Da war wohl der Wunsch Vater des Gedankens. Vielleicht hatte Dobrindt sich auch selbst von seiner manipulativen Grafik in die Irre führen lassen.
Manipulierte Skalen
Ein besonders eklatanter Manipulationsversuch zeigt sich an den Grafiken, mit denen Dobrindt seine Botschaft untermauerte. Die Skala der y-Achse für das rechtsextremistische Personenpotenzial reicht von 0 bis 60.000, während bei der Darstellung des linksextremistischen Potenzials nur eine Skala bis 40.000 gewählt wurde. Auf diese Weise wirkt der Anstieg bei Linksextremisten um 2,7 % auf 38.000 optisch fast so stark wie der um knapp 25 Prozent auf 50.250 Personen bei Rechtsextremen – obwohl die absoluten Zahlen deutlich auseinanderklaffen.
Über diese irreleitende Skalierung hinaus schwieg Dobrindt zu zentralen Formulierungen im Berichtstext. Wo im Abschnitt zum linksextremistischen Spektrum eindringlich von „bis zur Lebensgefährdung“ durch Angriffe auf kritische Infrastruktur die Rede ist, bleibt die Passage über das rechtsextremistische Potenzial den lapidaren Hinweisen darauf schuldig, dass immer mehr Täter „ohne erkennbare Anbindung an bereits bekannte rechtsextremistische Strukturen agieren“. Arne Semsrott von „FragDenStaat“ kritisierte den Verfassungsschutz dazu auf Bluesky: „Auf der einen Seite gewalttätige Strukturen, auf der anderen lauter Einzeltäter.“
Aber kein AfD-Verbotsverfahren?
Während der Innenminister offenbar versucht, Rechtsextremisten sprachlich und grafisch zu relativieren, blockt er bisher bei einem AfD-Verbotsverfahren ab. Er wolle der Partei nicht den Gefallen tun, „dass man ihrem Narrativ, ihrer Erzählung auch noch nachkommt“, sagte er. Und er wolle die AfD lieber „wegregieren“ als verbieten. Wie er sich das vorstellt, wie das gehen soll, wenn man bedenkt, dass er gerade einen Bericht vorgestellt hat, in dem fast die Hälfte des gesamten rechtsextremistischen Personenpotenzials aus AfD-Mitgliedern besteht. Man mag anzweifeln, dass er eine linksextremistische Partei „wegregieren“ wollen würde. Noch 2019 wollte er „Die Linke“ verbieten lassen.
Diese ungleichen Maßstäbe sind mehr als kleine Ungenauigkeiten: Sie verharmlosen den Rechtsextremismus und das gefährdet unsere Demokratie. Wer durch geschickte Grafiken und Weglassen von klaren Warnungen den Blick auf die größte Bedrohung verschleiert, handelt verantwortungslos. Und riskiert, nicht ausreichend gegen die brandgefährliche Gefahr des Rechtsextremismus vorzugehen. Dobrindts Eiertanz um die AfD und sein Beharren auf „guter Politik statt Verbot“ mögen taktische Manöver sein, die Realität jedoch bleibt ein Alarmsignal für alle, die unsere freiheitliche Ordnung verteidigen wollen. Dass er dazu sogar zu Manipulation greifen muss – und damit auch bei einem Großteil der Medienlandschaft auch durchkommt – zeigt, dass wir ein großes Problem haben.
Teile des Artikels wurden mit maschineller Hilfe ausformuliert. Wie Volksverpetzer KI verwendet, Artikelbild: Screenshots
Passend dazu:
Zur Quelle wechseln