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#UrsulavonderLeyen

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La tassa sui piccoli pacchi è l'ennesimo balzello imposto dal governo Meloni ai consumatori.

L'assurdità è che, per fare un favore a Trump, il duo Von der Leyen-Meloni cancella la webtax europea che gravava sul fatturato delle grandi aziende per mettere le mani direttamente nelle tasche dei consumatori: graziano i giganti del web e colpiscono i cittadini europei!

#Economia#Eu#WebTax
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Kinderhilfswerk entschieden gegen Social-Media-Verbot
DER SPIEGEL · TikTok, Instagram, YouTube: Kinderhilfswerk entschieden gegen Social-Media-VerbotBy DER SPIEGEL

Waffen gegen Migration

EU rüstet auf: Drohnenverteidigung soll Menschen an Grenzen abwehren

Die EU-Kommission plant eine umfassende Drohnenabwehr für die Außengrenzen der Europäischen Union. Sie soll allerdings nicht nur gegen russische Drohnen, sondern auch gegen Migrant*innen eingesetzt werden. Davon profitiert vor allem die Rüstungsindustrie, während Menschenrechte auf der Strecke bleiben.

Geht es nach den Plänen der EU-Kommission, sollen Drohnenabwehrsysteme künftig die Außengrenzen der Europäischen Union schützen. Die geplante Aufrüstung richtet sich jedoch nicht nur gegen potenziell militärische Bedrohungen etwa aus Russland, sondern auch gegen Menschen auf der Flucht. Recherchen von netzpolitik.org zeigen, dass sich zuständige Behörden mit konkreten Plänen bedeckt halten – während Menschenrechtler*innen eindringlich warnen.

Die Pläne zur europäischen Drohnenabwehr sehen aktuell ein EU-weites System zur Erkennung, Verfolgung und Neutralisierung von fremden Drohnen vor. Allerdings soll es auch für zivile Zwecke eingesetzt werden. Demnach soll es „helfen, nicht verteidigungsbezogene Bedrohungen oder andere Gefahren zu bewältigen, die an jeder EU-Grenze auftreten können“, heißt es im Vorschlag der EU-Kommission. Dazu gehören neben dem Schutz kritischer Infrastrukturen auch transnational organisierte Kriminalität und die „Instrumentalisierung von Migration“.

Umfassendes Aufrüstungsprogramm

Das europäische Anti-Drohnensystem ist eines von vier zentralen Projekten eines umfassenden Aufrüstungsprogramms „Defense Readiness Roadmap 2030“, mit dem sich die EU-Kommission etwa auf einen potenziellen Angriff Russlands vorbereiten will. Die militärische Großmacht überzieht die Ukraine seit nunmehr knapp vier Jahren unter anderem mit massiven Luftangriffen. Den 16-seitigen Entwurf stellte die Kommission am 16. Oktober vor.

Neben der „Europäischen Drohnenabwehr-Initiative“ sieht dieser Fahrplan für die Verteidigung des Staatenbundes auch die „Eastern Flank Watch“ vor, die die Verteidigung östlicher Mitgliedstaaten verbessern soll, sowie einen Raketenabwehrschirm und ein Weltraumschutzschild. Die Drohnenabwehr hat demnach besondere Dringlichkeit und soll bis Ende 2027 voll funktionsfähig sein.

Technisch soll das System aus einer Mischung aus Maschinengewehren und Kanonen, Raketen, Flugkörpern und Abfangdrohnen bestehen, die feindliche Drohnen rammen oder in deren Nähe explodieren können. Auch die Ausstattung mit elektronischen Störsystemen und Laserwaffen ist geplant.

Wie alles begann

Angesichts des gehäuften Eindringens mutmaßlich russischer Drohnen in den EU-Luftraum seit September dieses Jahres sind Rufe nach einer verstärkten Drohnenabwehr laut geworden.

Die NATO setzt bislang vor allem millionenteure Kampfflugzeuge, Hubschrauber und Patriot-Raketen ein, um feindliche Drohnen abzuschießen, die nur wenige Tausend Euro kosten. Das Militärbündnis hat auch Kampfflugzeuge nach Estland entsandt, nachdem jüngst drei russische Kampfjets in den estnischen Luftraum eingedrungen waren.

Weitere Vorfälle von nicht identifizierten Drohnen über Flughäfen in Dänemark und Deutschland in den zurückliegenden Wochen bestärkten die europäischen Staats- und Regierungschefs offenkundig darin, dass die EU dringend einen besseren Schutz vor Flugsystemen ohne Pilot*innen benötigt.

Zu Beginn hatten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) und Vertreter*innen östlicher EU-Staaten noch für einen sogenannte Drohnenwall an der östlichen EU-Flanke geworben. Diese Idee hatte von der Leyen am 1. Oktober bei einem informellen Treffen der Staats- und Regierungschefs in Kopenhagen vorgestellt.

Vom „Drohnenwall“ zur „European Drone Defence Initiative“

Allerdings reagierten die Vertreter*innen etlicher EU-Staaten sowohl auf das Konzept als auch auf den Namen skeptisch. In den darauffolgenden Tagen zweifelte unter anderem der französische Präsident Emmanuel Macron an, dass sich entlang der rund 3.000 Kilometer langen EU-Außengrenze mit Russland ein solcher Drohnenwall errichten lasse. Die Regierungschef*innen Italiens und Griechenlands, die Postfaschistin Giorgia Meloni und der Konservative Kyriakos Mytsotakis, kritisierten, dass von dem Militärprojekt vor allem östliche Mitgliedsländer profitieren würden. Andere Regierungsvertreter*innen mahnten, dass Brüssel sich damit zu sehr in Fragen der nationalen Verteidigung einmische.

Die Kommission weitete das Projekt daraufhin auf die gesamte EU aus und versah ihn zugleich mit einem neuen Namen: European Drone Defence Initiative. Außerdem überzeugte sie offenbar zögerliche EU-Mitgliedsstaaten mit dem Argument, dass das neue Drohnenabwehr-System künftig auch beim Grenzschutz und gegen undokumentierte Migration eingesetzt werden soll.

Waffen gegen „Migration als Waffe“?

Damit traf sie offenkundig einen Nerv. Anfang Oktober hatte das Europäische Parlament in seinem Beschluss zu den wiederholten Verletzungen des Luftraums der EU-Mitgliedstaaten betont, dass auch die Südflanke der EU vor „direkten Sicherheitsherausforderungen“ stehe.

Knapp zwei Wochen später plädierte Meloni dafür, dass die EU auch gegen jene Bedrohungen aufrüsten müsse, „die aus den Konflikten und der Instabilität im Nahen Osten, in Libyen, im Sahel und am Horn von Afrika entstehen.“ In Anspielung auf Putin sagte sie: „Wir wissen, dass unsere Rivalen in diesen Regionen ebenfalls sehr aktiv sind. Gleichzeitig sind wir uns der Risiken bewusst, die aus dem Terrorismus und der Instrumentalisierung von Migration erwachsen können.“

Mit dem wachsenden Einfluss Russlands in Libyen warnten Politiker*innen wie Meloni, aber auch der EU-Migrationskommissar Magnus Brunner, dass Russland die Migration aus dem nordafrikanischen Land als „Waffe“ gegen die EU instrumentalisieren könnte. Seit Jahren werfen sowohl die Kommission als auch verschiedene europäische Regierungschefs Russland und Belarus vor, einen „hybriden Krieg“ gegen die EU zu führen, indem sie fliehende Menschen aus dem Mittleren Osten und Afrika an die polnische EU-Grenze schleusen und sie zu einem undokumentierten Übertritt nötigen. NGOs gehen davon aus, dass Dutzende Menschen wegen dieser Politik ihr Leben verloren haben.

Rüstungsunternehmen als „die wahren Profiteure des Vertreibungskreislaufs“

Dass Menschen, die sich auf den Weg zu den EU-Grenzen machen, als Bedrohung gesehen werden, die es zu neutralisieren gilt, stelle eine ernste Gefahr für Migrant*innen in ohnehin prekären Situationen dar, warnt Chris Jones, Leiter der britischen Bürgerrechtsorganisation Statewatch gegenüber netzpolitik.org. „Der Einsatz von Drohnenabwehr-Systemen zur Überwachung und Kontrolle von Migration würde im Kontext der aktuellen Migrationspolitik Menschen unweigerlich in extreme Gefahr bringen“, so Jones weiter.

Chloé Berthélémy von der Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights (EDRi) kritisiert, dass die Verschmelzung von militärischen und zivilen Anwendungen „vor allem dem militärisch-industriellen Komplex“ zugutekomme. „Diese florierende Industrie ist für viele Waffenexporte aus Europa in andere Regionen der Welt verantwortlich, die wiederum die Ursachen für Vertreibung vorantreiben: Menschen sind gezwungen, vor Konflikten, Krieg und Armut zu fliehen“, sagt Berthélémy. Dieselben Unternehmen erzielten nun zusätzliche Gewinne, indem sie Überwachungs- und Verteidigungstechnologien als vermeintliche Lösung für Migration verkaufen.

„Die Rüstungsunternehmen erweisen sich damit als die wahren Profiteure des Vertreibungskreislaufs“, so Berthélémy weiter. „Das Geld, was die EU für den Ausbau von Militär- und Überwachungssystemen ausgibt, könnte stattdessen in die tatsächliche Unterstützung und Aufnahme von Menschen investiert werden, die Schutz suchen.“

Projekt soll Anfang 2026 starten

Am 23. Oktober einigten sich die EU-Staats- und Regierungschefs auf einem Gipfeltreffen in Brüssel vorerst darauf, für konkrete Projekte zur besseren Verteidigung gegen Drohnen zusammenzuarbeiten. Die in der Abschlusserklärung gefundene Formulierung bleibt dabei deutlich hinter dem ambitionierten Plan der EU-Kommission zurück – weder der Name noch die Fristen zur Fertigstellung haben hier Eingang gefunden.

Laut Gipfelerklärung will die EU ihre Drohnenabwehr-Initiative mit Hilfe zweier Quellen finanzieren: Einerseits will sie auf das 150 Milliarden Euro schwere „Security Action For Europe“-Darlehen (SAFE) zugreifen, andererseits auf das Programm für die europäische Verteidigungsindustrie (EDIP), das insgesamt 1,5 Milliarden Euro bereitstellt. Das SAFE-Darlehen ist ein Kreditprogramm der Europäischen Union, das es Mitgliedstaaten ermöglicht, zu niedrigen Zinsen Kredite aufzunehmen, um etwa Waffen zu kaufen.

Bis zum Ende dieses Jahres sollen sich Mitgliedsstaaten, die die Drohnenabwehr-Initiative anführen wollen, zunächst in einer sogenannten „Fähigkeitskoalition“ einfinden. Lettland und die Niederlande haben sich bereits dazu bereit erklärt. Der Start des Projekts ist auf Anfang 2026 terminiert.

Bundespolizei setzt bereits Drohnen ein

Wir haben uns bei den Regierungen verschiedener EU-Staaten erkundigt, wie sie zu der geplanten zivilen Anwendung der Drohnenabwehr stehen.

Das lettische Verteidigungsministerium schrieb uns daraufhin nur, dass „die nationale Verteidigung und die Stärkung der kollektiven Sicherheit die vorrangigen Ziele bleiben“.

Das polnische Verteidigungsministerium schrieb, dass es bereits über ein breites Spektrum an Technologien verfüge, das zur Überwachung und Verteidigung der eigenen Grenzen zum Einsatz komme. Im Hinblick auf die mögliche zivil-militärische Anwendung der Drohnenabwehr hoffe das Ministerium, dass die „Umsetzung dieses wichtigen Vorzeigeprojekts unsere Bemühungen zur Sicherung der gemeinsamen EU- und NATO-Grenzen unterstützt wird.“

Die Bundespolizei setzt jetzt schon Drohnen für die Grenzfahndung entlang von grenzüberschreitenden Straßen „zur Dokumentation und Aufklärung relevanter Vorfälle“ ein.

Weder das deutsche Verteidigungsministerium noch das Bundesinnenministerium (BMI) wollte sich zu unserer Anfrage äußern, ob die Bundesrepublik plant, die europäische Drohnenabwehr im Kampf gegen undokumentierte Migration einzusetzen.

Auf unsere Frage, mit welcher Position sich die Regierung in die Diskussion des Projekts eingebracht hat, schrieb eine BMI-Sprecherin nur, dass die genaue Ausgestaltung der geplanten Drohnenabwehr derzeit noch Gegenstand laufender Abstimmungen auf nationaler und europäischer Ebene sei. Und ein Sprecher des Verteidigungsministeriums teilte gegenüber netzpolitik.org mit, dass das deutsche Verteidigungsministerium in den kommenden Jahren 10 Milliarden Euro in Drohnen und Drohnenabwehr investieren werde.

Timur Vorkul ist seit September 2025 Volontär bei netzpolitik.org. Er hat Sozialwissenschaften und Kulturanthropologie studiert und zuletzt für den MDR gearbeitet. Neben seinem Volontariat macht er Beiträge für den Fernsehsender KiKA. Er interessiert sich für staatliche Überwachung, Migrationsregime und Ungleichheit. Kontakt: E-Mail (OpenPGP). Dieser Beitrag ist eine Übernahme von netzpolitik, gemäss Lizenz Creative Commons BY-NC-SA 4.0.

Über Timur Vorkul - netzpolitik:

Unter der Kennung "Gastautor:innen" fassen wir die unterschiedlichsten Beiträge externer Quellen zusammen, die wir dankbar im Beueler-Extradienst (wieder-)veröffentlichen dürfen. Die Autor*innen, Quellen und ggf. Lizenzen sind, soweit bekannt, jeweils im Beitrag vermerkt und/oder verlinkt.

extradienst.netWaffen gegen Migration – Beueler-Extradienst
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Größter Rückschritt

Digitaler Omnibus: „Größter Rückschritt für digitale Grundrechte in der Geschichte der EU“

Die Europäische Kommission arbeitet an Plänen für einen Kahlschlag bei ihren Regeln für die digitale Welt. Das belegen unter anderem Dokumente, die wir veröffentlicht haben. Im Europäischen Parlament und in der Zivilgesellschaft formiert sich dagegen massiver Widerstand.

Das erklärte Ziel von Ursula von der Leyen ist es, die Europäische Union in ihrer zweiten Amtszeit als Präsidentin der EU-Kommission wirtschaftlich und geopolitisch zu stärken. Erreichen will sie das offenbar auch durch einen weitgehenden Rückbau des Regelwerkes für die digitale Welt, welches die EU in den vergangenen zehn Jahren gestrickt hat. Davon zeugen Entwürfe für ein geplantes Gesetzespaket, die wir am vergangenen Freitag veröffentlicht haben.

Vier Regulierungsbereiche stehen im Fokus des sogenannten „digitalen Omnibus“: der Datenschutz, Regeln für die Datennutzung, Cyber-Sicherheit und die KI-Verordnung. Der Begriff Omnibus („für alle“) wird in der Gesetzgebung verwendet, wenn mehrere Rechtsakte zeitgeich geändert werden. Offizielles Ziel des umfangreichen Reformvorhabens ist die Vereinfachung und Vereinheitlichung unterschiedlicher Digitalgesetze.

Diese stehen derzeit nicht nur durch Tech-Konzerne und die US-Regierung unter Druck. Auch europäische Unternehmen und mächtige Politiker:innen wie der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz fordern lauthals den Abbau vermeintlich überbordender Bürokratie.

Am 19. November sollen die Pläne für den digitalen Omnibus offiziell vorgestellt werden. Nun wenden sich zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen gegen die geleakten Pläne und auch mehrere Fraktionen im EU-Parlament kündigen Widerstand an.

Zivilgesellschaft warnt vor historischem Rückschritt

„Das wäre der größte Rückschritt für digitale Grundrechte in der Geschichte der EU“, heißt es in einem heute veröffentlichten Brief von mehr als 120 zivilgesellschaftlichen Organisationen. Was als „technische Straffung“ der EU-Digitalgesetze präsentiert werde, sei „in Wirklichkeit ein Versuch, heimlich Europas stärkste Schutzmaßnahmen gegen digitale Bedrohungen abzubauen“.

Zu den Unterzeichner:innen gehören Organisationen der digitalen Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und Verbraucherschutzorganisationen aus ganz Europa, darunter European Digital Rights (EDRi), Amnesty International und Access Now. Aus Deutschland haben unter anderem der Chaos Computer Club, AlgorithmWatch, die Digitale Gesellschaft, D64, HateAid, das Zentrum für Digitalrechte und Demokratie, der Berufsverband der Datenschutzbeauftragten, die Deutsche Vereinigung für Datenschutz und Wikimedia Deutschland mitgezeichnet.

Konkret kritisieren sie unter anderem, dass die Kommission die gerade erst verabschiedeten Regeln für Künstliche Intelligenz in der EU aufweichen will. Eine Registrierungspflicht für hochriskante KI-Systeme müsse ebenso beibehalten werden wie Strafen für ihren unautorisierten Vertrieb. Die EU müsse zudem sicherstellen, dass KI sicher und diskriminierungsfrei entwickelt und demokratisch kontrolliert werde.

Ferner kritisieren die NGOs auch die Pläne zum Rückbau der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Sie sei nicht nur eine der stolzesten Errungenschaften der EU, sondern auch eines der wenigen Gesetze, das allen Menschen die Kontrolle über ihre sensiblen Daten gebe – seien es Arbeiter:innen, Kinder oder Personen ohne gültige Papiere. Der Brief verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Databroker Files, in denen netzpolitik.org zusammen mit internationalen Partnern gerade erst aufgedeckt hatte, wie leicht sich mit kommerziell gehandelten Daten auch Spitzenpersonal der EU ausspionieren lässt.

„Überstürzt und undurchsichtig“

Zwar gebe es dringenden Nachholbedarf bei der Durchsetzung der DSGVO, doch die Digitalgesetze der EU seien „die beste Verteidigung, die wir gegen digitale Ausbeutung und Überwachung durch in- und ausländische Akteure haben“. Wenn die Kommission der Wirtschaft das Leben leichter machen wolle, solle sie diese lieber durch konkrete Leitlinien und Werkzeuge bei der Umsetzung der Regeln unterstützen, statt diese über Bord zu werfen.

Das zivilgesellschaftliche Bündnis kritisiert dabei auch das „überstürzte und undurchsichtige Verfahren“, das demokratische Kontrolle umgehen solle. Getarnt als „Vereinfachung“ mit angeblich nur minimalen Änderungen würde nicht nur der digitale Omnibus soziale Rechte und den Umweltschutz abbauen. Ein anderes Vereinfachungspaket droht gerade parallel die neue EU-Lieferkettenrichtlinie auszuhöhlen, welche Konzerne für Menschenrechtsverletzungen im Ausland zur Verantwortung ziehen sollte.

Bereits Anfang der Woche hatte der österreichische Datenschutzaktivist Max Schrems vor einem Kahlschlag für die Grundrechte in Europa gewarnt und das Vorgehen der EU-Kommission mit „Trumpschen Gesetzgebungspraktiken“ verglichen. In einem ersten Brief hatten die von ihm gegründete Organisation noyb, der Irish Council for Civil Liberties und EDRi schon am Montag nicht mit Kritik gespart.

Sozialdemokrat:innen kündigen Widerstand an

Auch im demokratischen und pro-europäischen Lager des EU-Parlaments formiert sich parteiübergreifender Widerstand gegen die Pläne der Kommission. In offenen Briefe lehnen die Fraktionen von Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen die Kommissionspläne sehr weitgehend ab.

Am Dienstag wandten sich führende sozialdemokratische Abgeordnete im Namen der Fraktion der Socialists & Democrats (S&D) gegen die Pläne der Kommission. In einem Schreiben an die zuständige Vizepräsidentin Henna Virkkunen heißt es: „Die S&D-Fraktion wird sich entschieden gegen jeden Versuch stellen, das Schutzniveau für unsere Bürger:innen zu senken.“

Auf vier Seiten zerpflücken die sozialdemokratischen Abgeordneten die einzelnen Vorschläge der Kommission, Schwerpunkte bilden auch hier Datenschutz- und KI-Regulierung. „Wir sind zutiefst besorgt über die vorgeschlagene Aushöhlung der Kernprinzipien der DSGVO, insbesondere über die Verwässerung der Definition von personenbezogenen Daten“, so die Parlamentarier:innen. Sie kritisieren zudem den angedachten Rückbau von Betroffenenrechten, einen geschwächten Schutz vor Werbe-Tracking und von sensiblen Daten.

„Zutiefst beunruhigt“ sind die Sozialdemokrat:innen auch über den Plan, die erst kürzlich verabschiedete KI-Verordnung zu schwächen, bevor diese überhaupt Wirkung entfalten könne. „Anstatt das Gesetz wieder zu öffnen, muss die Priorität auf der raschen Fertigstellung harmonisierter Standards und Leitlinien durch das KI-Büro liegen, um die Wechselwirkungen mit anderen Rechtsvorschriften zu klären.“

Die Abgeordneten stellen ihre Kritik zudem in einen geopolitischen Kontext: „Die globale Führungsrolle der EU im Bereich Regulierung“ werde momentan durch große Tech-Konzerne offen herausgefordert. Mit ihren Vorschlägen setze die EU-Kommission die Vorbildfunktion Europas aufs Spiel. Jetzt nachzugeben und auf Deregulierung zu setzen, schwäche die Position der EU. Der digitale Omnibus müsse „die Integrität der digitalen Rechtsordnung stärken und nicht schwächen“.

Liberale: Vereinfachung ja, aber nicht so

Auch die liberale Fraktion Renew Europe äußert sich kritisch zu den geleakten Reformplänen der Kommission. Man unterstütze das Anliegen, die europäische Wettbewerbsfähigkeit durch bessere Regulierung zu erhöhen, heißt es am Mittwochabend in einem Schreiben an Kommissionspräsidentin von der Leyen. „Wir werden uns jedoch entschieden gegen Maßnahmen wehren, die vorgeben, die Rechtslage zu vereinfachen, aber unsere Datenschutzstandards untergraben und den Schutz der Grundrechte schwächen würden.“

Konkret wenden sich die Liberalen gegen einige Maßnahmen, die die Datenschutzgrundverordnung und die KI-Verordnung aushöhlen würden. So etwa den abgeschwächten Schutz für sensible Daten und die Neudefinition personenbezogener Daten, die auf einer falschen Auslegung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes basiere.

„Wir fordern die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass wesentliche Änderungen am digitalen Regelwerk der EU evidenzbasiert und auf Basis angemessener Konsultation und Folgenabschätzung beruhen, insbesondere wenn es um Grundrechte geht“, so der Brief weiter. Die Kommission müsse ihren Vorschlag ändern, bevor sie ihn der Öffentlichkeit präsentiere. Europa müsse beides gemeinsam erreichen: eine wirtschaftliche Führungsrolle und die als Vorreiter für Grundrechte.

Grüne sehen Rückschritt für digitale Souveränität

Mit „großer Sorge“ habe man den kürzlich durchgesickerten Ansatz zum Digital Omnibus wahrgenommen, schreibt am Mittwochabend auch die Fraktion der Grünen im EU-Parlament an Vizepräsidentin Virkkunen. Er zeige, dass die Kommission „weit über technische Klarstellungen hinausgehen und stattdessen Gesetze aufweichen will, die den Grundstein der digitalpolitischen Errungenschaften der EU bilden“.

Neben konkreten Forderungen zum Erhalt von KI-Verordnung, DSGVO und weiteren Gesetzen betonen die Grünen, dass die Reformpläne Europas Streben nach digitaler Souveränität konterkarierten. „Durch die Priorisierung von Deregulierung und Wettbewerbsfähigkeit gegenüber strategischer Autonomie birgt der Omnibus die Gefahr, genau die Schutzmaßnahmen zu schwächen, die die EU zu einem globalen Vorreiter in der Digitalpolitik gemacht haben.“ Unter dem Druck von Big Tech und Lobbyismus der USA sowie einiger Mitgliedstaaten drohe die EU, sich in weitere Abhängigkeit zu deregulieren.

Digitale Gesellschaft kritisiert Bundesregierung

Der Verein Digitale Gesellschaft hebt in einer heute veröffentlichten Pressemitteilung auch die negative Rolle hervor, die die deutsche Regierung in der Sache spielt. Sie hatte dem Vernehmen nach mit einem Positionspapier erheblichen Einfluss auf den Anti-Regulierungskurs der EU. „Statt die Probleme der Digitalisierung in Deutschland endlich effektiv anzugehen, wird mal wieder alle Schuld auf den Datenschutz geschoben“, kritisiert Geschäftsführer Tom Jennissen.

Er erinnert daran, dass die Bundesregierung demnächst einen „europäischen Gipfel zur digitalen Souveränität“ veranstalte. „Doch statt sich endlich aus der Abhängigkeit von Big Tech zu lösen, schleift sie hinter den Kulissen den Rechtsrahmen, der genau diese Tech-Unternehmen unter Kontrolle halten soll.“

Ingo Dachwitz ist Journalist und Kommunikationswissenschaftler. Seit 2016 ist er Redakteur bei netzpolitik.org und u.a. Ko-Host des Podcasts Off/On. Er schreibt häufig über Datenmissbrauch und Datenschutz, Big Tech, Plattformregulierung, Transparenz, Lobbyismus, Online-Werbung, Wahlkämpfe und die Polizei. 2024 wurde er mit dem Alternativen Medienpreis und dem Grimme-Online-Award ausgezeichnet. Ingo ist Mitglied des Vereins Digitale Gesellschaft sowie der Evangelischen Kirche. Seit 02/2025 ist sein Buch erhältlich: “Digitaler Kolonialismus: Wie Tech-Konzerne und Großmächte die Welt unter sich aufteilen”. Kontakt: E-Mail (OpenPGP), Mastodon, Bluesky, FragDenStaat. Dieser Beitrag ist eine Übernahme von netzpolitik, gemäss Lizenz Creative Commons BY-NC-SA 4.0.

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Krieg?!

Nicht mehr im Frieden, schon mitten im Krieg?! – Was westliche Verweigerung und Bestrafung anrichten: Der Niedergang beschleunigt sich

„Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“ (Herkunft: unklar, häufig Einstein zugeschrieben). Am Freitag ereiferte sich die Kommissionspräsidentin von der Leyen über China und dessen wirtschaftliche Sanktionsmaßnahmen. Sie drohte Vergeltung an. Das, was der EU mit der (russischen) Energie passiert sei, werde ihr nicht auch noch bei Seltenen Erden passieren. Sie kündigte an, notfalls zur handelspolitischen Keule zu greifen. Gemeint war eine Verordnung aus dem Jahr 2023 „Über den Schutz der Union und ihrer Mitgliedstaaten vor wirtschaftlichem Zwang durch Drittländer“.

Ich lasse beiseite, dass diese Verordnung einerseits ausdrücklich bestätigt, dass es laut UN-Charta verboten ist, wirtschaftlichen Druck auf andere Staaten auszuüben, aber die EU andererseits durch ihre Sanktionspolitik beispielsweise gegenüber Russland seit dem Jahr 2014 erklärtermaßen und gezielt wirtschaftlichen Druck ausübt. Denn in der „regelbasierten“ Ordnung gilt: Was gerade gilt, bestimmen wir.

Vor allem ist es wenig redlich, sich politisch auf China zu stürzen, statt sich bei den USA zu beschweren oder an die eigene Nase zu fassen.

Die USA verfolgen seit Jahren eine wirtschaftliche Sanktionspolitik gegenüber China, um den weiteren wirtschaftlichen Aufstieg Chinas zu behindern. Die Wirkungen jedoch, wenn in einer weltweit vernetzten Welt Fäden durchtrennt werden, werden nicht einkalkuliert. Der Wunsch, den ökonomischen Herausforderer zu bremsen und niederzuhalten, macht blind für die reale Zerstörung, die folgt. Es ist völlig eindeutig: Wer Wirtschaftssanktionen einsetzt, glaubt, das Sagen zu haben und so erzwingen zu können, was anders nicht mehr gelingt: das Aufsteigen von ernsthaften Konkurrenten zu verhindern.

Das aktuelle Problem mit China besteht darin, dass das Land nicht mehr kuscht, sondern inzwischen zurückschlägt. So aber stellte es von der Leyen nicht dar. Sie tat so, als wäre China der wirtschaftliche Aggressor.

Der Economist blickte jüngst (Paywall) auf die handelspolitischen Spannungen zwischen den USA und China zurück und bilanzierte eindeutig: Die USA starteten den Handelskrieg gegen China. Damals habe die politische Antwort aus Peking wie folgt gelautet: “Wenn ihr kämpfen wollt, werden wir bis zum Ende gegen euch kämpfen. Wenn ihr reden wollt, steht euch unsere Tür weit offen.“ In einem AFP-Faktencheck von 2018 findet sich die Antwort des chinesischen Präsidenten auf die US-Sanktionspolitik, die in der ersten Trump-Präsidentschaft einsetzte: „Man sollte nicht nur mit dem Finger auf andere zeigen, um die eigenen Probleme zu verschleiern“, sagte Xi und verurteilte „Protektionismus“, „Isolationismus“ und „das Gesetz des Dschungels“. Gleichzeitig aber, so der Economist weiter, machten die Chinesen ihre Hausaufgaben. Sie analysierten alle Druckpunkte, die sie durch Sanktionen der USA verletzbar machten. Zudem analysierten sie ebenfalls die Druckpunkte der USA. Das sei in aller Öffentlichkeit erfolgt. Es habe damals nur niemanden gekümmert.

Warum stehen womöglich demnächst die Montagebänder bei Autoproduzenten still? Es fehlen die Mikrochips. (VW verhandelt mit einem alternativen Lieferanten.) Und wie kam es zur Krise?

Die Financial Times lieferte am 13. Oktober einen genauen Bericht dazu. Die USA sanktionierten das chinesische Unternehmen Wingtech und zogen die Sanktionsschraube im September 2025 weiter an. In den Niederlanden befindet sich das Unternehmen Nexperia. Es ist im Mehrheitsbesitz von Wingtech. Deshalb war das Unternehmen auch von den jüngsten Exportbeschränkungen der USA betroffen. Um das zu verhindern, ging der niederländische Staat gegen die chinesische Leitung von Nexperia vor (Absetzung, unter Mitwirkung niederländischer und deutscher Staatsbürger) und stellte das Werk unter niederländische Kontrolle. Eine Enteignung von Wingtech fand nicht statt. Zur Begründung sprach die niederländische Regierung von „eine(r) Gefahr für die Kontinuität und den Schutz entscheidender technologischer Kenntnisse und Fähigkeiten auf niederländischem und europäischem Boden“

China hat das Potential sich zu wehren

Die Niederlande stützten sich auf ein Gesetz aus dem Kalten Krieg. Daraufhin erklärte China einen Exportstopp für alle Wingtech-Produkte, was wegen der Chips (Nexperia) nunmehr alle westlichen Automobilproduzenten betrifft. China beschloss zudem aufgrund der Verschärfungen der US-Sanktionspolitik, die auch Wingtech erfassten, einen Exportstopp für Seltene Erden. Das war ebenfalls in der Financial Times nachzulesen. Das Land hat keine Lust mehr, die wertvollen Rohstoffe zu liefern, die man für die modernen Rüstungsproduktion braucht (und in vielen anderen Branchen auch).

Daraus kann man nur eines lernen: Die Zeit, in der westliche Sanktionspolitik nicht auf Gegenwehr trifft, ist vorbei. China hat das Potential sich zu wehren und den politischen Willen dazu, wenn es nicht anders geht. Nun werden sich Trump und Xi treffen. Man darf gespannt sein, ob das zur weiteren Eskalation führt oder ein gegenseitiges Einvernehmen erreicht wird, dass ein Wirtschaftskrieg die schlechteste Option ist. Faktisch haben die USA inzwischen die schlechteren Karten.

Auch die EU kann in einer Machtprobe mit China nur weiter verlieren. Sie hat sich schon sehr schwer verletzt durch die Russland-Sanktionen nach der russischen Aggression gegen die ukrainische Zentralgewalt (auf Seiten Russlands kämpften am Anfang Ukrainer, also die sogenannten „pro-Russen“). Beim ersten Sanktionspaket erklärte die deutsche Außenministerin Baerbock 2022 hoffnungsvoll: Das wird Russland ruinieren. Wozu also einen verhandelten Frieden befördern, der im Frühling 2022 möglich schien? Man kann, so Boris Johnson, schließlich nicht “ukrainischer sein als die Ukrainer” und verdrehte damit seine Rolle bei der Kriegsweiterführung. Jetzt sind wir beim 19. Paket und im weiter eskalierenden Krieg.

Und was ist mit der deutschen Wirtschaft? Sie ist in einem Jammertal gelandet, ohne jede Aussicht auf eine Trendwende. Selbstverschuldet. Das Problem billiger Rohstoffe, billiger Energie bleibt ungelöst. Die globale Prognose, wonach Gas beispielsweise für die Stromerzeugung in den nächsten 20 Jahren unerlässlich bleibt (Nachfrage ansteigend), gilt weiter. Aber, wen schert das?

Nun verbietet sich die EU demnächst auch die letzten Gaseinfuhren aus Russland, koste es, was es wolle, denn es geht darum, dass kein Rubel für Russland rollt. Durch die jüngsten US-Sanktionen gegen russisches Öl- und Gas kommt die EU weiter unter Druck. Denn es geht um die Ukraine, die nicht siegt, aber siegen soll, oder wenigstens weiterkämpfen soll, „solange es eben dauert.“ Bis Moskau kapituliert?

Am 26. Oktober gab es in Russland ein öffentliches Briefing zur militärischen Situation. Es enthielt drei Nachrichten: Mehr als 10.000 ukrainische Soldaten sind eingekesselt, die russischen Atomwaffen sind voll abwehrbereit, eine neue weltweit einzigartige Waffe, die Burewestnik (ein Marschflugkörper), hat ihren Jungfernflug gemeistert: aktuell 14.000 km (geplante Reichweite bis zu 20.000 km), atombetrieben, atomar bestückbar, nicht abzufangen. Man muss das als eine sehr eindeutige Warnung des russischen Präsidenten begreifen. Auch der zeitliche Zusammenhang zu den jüngsten Diskussionen über “tiefe” Schläge in Russland und US-Sanktionen gegen russisches Öl und Gas scheint nicht zufällig.

Der russische Bär ist hellwach, und er ist auf jede Art von Angriff vorbereitet. Der legt sich so schnell nicht mehr schlafen. Burewestnik stellte Putin 2018 erstmals öffentlich vor. Die Waffe war Teil der russischen militärischen Antwort auf die Kündigung des ABM-Vertrags durch die USA. Damals hatte sie noch keinen Namen. Alle Waffen, die Putin damals vorstellte, sind inzwischen in der Welt. Es ist höchste Zeit, sich zu erinnern, was Putin mit den Ankündigungen des Jahres 2018 bezweckte. Er sagte: „Alles, was ich heute sagte, ist kein Bluff – es ist kein Bluff, glauben Sie mir – denken Sie darüber nach und verabschieden Sie sich von jenen, die in der Vergangenheit leben und unfähig sind, in die Zukunft zu sehen, um weitere Destabilisierung zu verhindern, Stabilität zu schaffen und unsere gemeinsame Welt, die Erde, zu schützen.“ (sinngemäß übersetzt).

Vieles soll nicht mehr gedacht werden

Diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Das war nie die alleinige Schuld Russlands. Statt dessen haben wir einen Krieg, der immer mehr entartet. Können wir jetzt verstehen? Sind wir jetzt bereit, mit Russland darüber zu reden, wohin die gemeinsame Reise gehen soll? Zu Frieden, Verständigung und multipler Abrüstung oder ins Verderben aller? So wie die Lage aktuell ist, muss man das, soweit es die Koalition der „(Un)willigen“ betrifft, nach wie vor stark bezweifeln. So vieles soll nicht mehr gedacht werden.

Aktuell verbietet sich unser Land selbst jeden Gedanken an eine mögliche neue Nutzung von NordStream: Weil der Bau das eigentliche Verbrechen war, nicht der Anschlag, wie jüngst aus Polen zu hören war. Die Ukraine habe das Recht, sich „überall in Europa gegen mit Russland verbundene Ziele“ zu verteidigen, betonte der polnische Ministerpräsident Tusk auch gegenüber Times.

Soweit ich mich erinnere, stuft die Nato Anschläge auf westliche Infrastruktur als „hybride“ Kriegsakte ein. NordStream galt einst als europäische Infrastruktur. Von der Leyen schwor Vergeltung, damals in der irrigen Annahme, die russische Seite sei der Täter gewesen. Heute soll man hierzulande nicht daran festhalten, dass mit Russland Verständigung möglich ist. Und das trotz der jüngeren deutschen Geschichte. Demnächst fließt das für NordStream bestimmte Gas gen China.

Bei Tusk jedenfalls läuten schon alle Alarmglocken, wenn auch nur einer in der EU über Dialog mit Moskau redet: Schon wieder NordStream? Tusk sieht einen andauernden Krieg mit Russland voraus, egal, was eventuell in Sachen Ukraine verhandelt würde. („a permanent forever war until something drastic changes in Russia) Er habe erkannt: „In der Politik (gehe) es immer um dieselben Dinge: um Gewalt, darum, wer stärker ist, um Grenzen und Territorien, um Interessenkonflikte.“ Gleichzeitig erklärte Tusk über Putin, dass dieser ein langweiliger, ziemlich einfach gestrickter Mann sei. Putin habe „eine sehr einfache Denkweise, bei der es immer darum geht, wer mehr Macht hat und wer bereit ist, diese Macht gegen den anderen einzusetzen.” Beide Aussagen folgten in der Times (Paywall) nicht unmittelbar aufeinander, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass das Gedächtnis eines Lesers nicht weiter als drei gelesene Zeilen reicht.

Die Opfer kümmern Tusk nicht

Dank der ökonomischen Entwicklung und der moralischen Autorität falle Polen, so Tusk weiter in Times, eine geopolitische Führungsrolle zu. Er hoffe darauf, dass das polnische Denken zum „pan-europäischen“ werde. Tusk war sich sicher, dass Polen in der eigenen Region die Führungsrolle haben werde. In fünf bis sieben Jahren. Tusk plädierte ebenfalls für eine Nato- und EU-Mitgliedschaft der Ukraine. „Das könne den Fatalismus in unserer Region beenden, der annimmt, dass Völker wie die Ukrainer oder die Polen oder andere kleine Völker von Zeit zu Zeit zu Opfern der Deutschen oder Russen werden.“ Im Verbund mit der Ukraine könne dann niemand mehr Polen irgendetwas antun.

Ja, da war es wieder, das gute alte Nato-Motto: die USA in Europa drin, Russland draußen, Deutschland unten. Wird Berlin protestieren?

Noch immer versucht die EU, nach dem eingefrorenen russischen Staatsvermögen zu greifen, um die Ukraine weiter finanzieren zu können – angeblich eine Idee „mit Charme“. Die Ukraine sei bereit, noch weitere drei Jahre Krieg zu führen, erklärte Tusk der Times. Die Frage sei allein, wieviele Opfer wir noch sehen werden. Die Opfer kümmern Tusk nicht. Da sieht er zu.

Noch sträubt sich Belgien gegen die Idee, dass sich die EU des russischen Staatsvermögens bemächtigt. Es geht um Euroclear. Wer wird dann dort noch etwas in Verwahrung geben? Nur noch Trottel, denen nicht aufgefallen ist, dass der quasi heilige Schutz des Kapitals Diebstahl weichen soll. Selbst RAND konzedierte Ende 2024, dass die eingefrorenen Gelder nur im Rahmen eines verhandelten Kriegsendes mit Russland und nach dessen ausdrücklicher Billigung zu einem Wiederaufbau der Ukraine verwendet werden könnten. Aber RAND sollte man wahrscheinlich in Sachen Russland nie wieder erwähnen, denn diese Studie beschäftigte sich auch mit den gern verleugneten Kriegsursachen, die mit Russland zu lösen sind.

Wie auch immer, man kann nur hoffen, dass das kleine Belgien widersteht. Sonst sehen die vielen Nicht-Trottel zu, dass sie Land gewinnen und sich und ihr Vermögen in Sicherheit bringen. Vor der EU. Husch, husch und ab unter unsere Knute: Das funktioniert nicht mehr.

Dieses politische Sanktionsdesaster ist völlig ideologiegetrieben. Russland ist der Feind, der zu allem fähig ist (Tusk) und nur durch die Zementierung der westlichen Vorherrschaft aufgehalten werden kann. Diese ist zwar unwiederbringlich am Zerbröseln, aber statt sich zu besinnen und die sich emanzipierende, diverse und schwierige Welt diplomatisch mit zu gestalten, wird immer weiter eskaliert, immer neu an der Sanktionsspirale gedreht. Obwohl es sich dabei im Kern um einen Bumerang handelt, der die wachsende westliche Ohnmacht verdeutlicht, aber gleichzeitig das Leben und die Zukunftschancen so vieler Menschen zerstört oder schwer trifft. Wie unmoralisch. Wie kurzsichtig. Wie dumm. Wie lebensgefährlich.

Diplomatie, Dialog, Vertrauensbildung, Kooperation, Zurückhaltung

Inzwischen wirbt RAND dafür, dass es einen neuen politischen Ansatz braucht, um die Rivalität zwischen China und den USA nicht ins Äußerste zu treiben, sprich einen modus vivendi zu finden. Die Vorschläge von RAND enthalten auch Rückgriffe auf Erfahrungen des Kalten Krieges, das heisst auf viele aktuelle „Unwörter“, wie etwa Diplomatie, Dialog, Vertrauensbildung, Kooperation, Zurückhaltung.

Ein sehr bemerkenswerter Artikel auf Substack (in Englisch) lädt zu einer ehrlichen und kritischen Reflexion darüber ein, was China heute für die Welt bedeutet, was wir auch lernen könnten von diesem Land. In dem Artikel wird unter anderem der US-Wissenschaftler Adam Tooze zitiert, der sagte, China wäre nicht nur ein analytisches Problem, sondern der Schlüssel zum Verständnis der Moderne.

Schlüssel zum Verständnis der Moderne

Noch sind wir weit davon entfernt, irgendetwas verstehen zu wollen oder zu können, außer dem, was uns Vorurteile und Überlegenheitsgefühle auftragen. Das Sprichwort „Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“, liegt nicht fern. Nur dass diejenigen, die an der Grube schaufeln, noch nicht selber reinfallen. Die graben noch munter weiter und lassen aktuell alle andere im Regen stehen, einschließlich der Ukrainer.

Es wäre sehr viel besser, wenn die EU schnellstens begreifen würde, dass die heutige Welt in ihrer Vernetzung nicht weiter beschädigt werden darf, dass dort, wo Brücken abgebrochen wurden, neue gebaut werden müssen – Verständigung suchend, durch Dialog und Kooperation. Das ist sie zuallererst den Bürgerinnen und Bürgern in der EU schuldig, Unternehmern wie Facharbeitern, Handwerkern wie Dienstleistern, und auch der Bauernschaft. Das ist eines der europäischen Integrationsversprechen, das seit Jahren mit Füßen getreten wird. Denn wenn wir diese Brücken nicht mitbauen, werden sie andere bauen, nur ohne uns.

Stabile und preisgünstige Energie ist die Schlagader, die die vernetzte Welt mit Zukunft versorgt. Global lässt sie sich nicht diktieren oder in Teilen amputieren. Man kann sich lediglich von ihrem pulsenden Strom gefährlich isolieren. So wie man auf gefährliche Abwege gerät, wenn man weiter militärischen Allmachtsphantasien nachhängt.

„Indignez-vous“ (Empört Euch), schrieb der Mitverfasser der Allgemeinen Deklaration der Menschenrechte, Stéphane Hessel, ein deutsch-französischer Jude, in hohem Alter. Er rief dazu auf, jeder Ungerechtigkeit zu widerstehen. Kaddour Hadadi (HK), ein französischer Dichter und Liedermacher, widmete Hessel 2014 ein Lied. 2020 schuf er mit „Danser encore“ (mit deutschen Untertiteln abrufbar) einen bleibenden Song über Würde, Menschlichkeit und „elegante“ Empörung.

Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus dem Blog der Autorin, mit ihrer freundlichen Genehmigung. Zwischenüberschriften wurden nachträglich eingefügt.

Über Petra Erler / Gastautorin:

Petra Erler: "Ostdeutsche, nationale, europäische und internationale Politikerfahrungen, publizistisch tätig, mehrsprachig, faktenorientiert, unvoreingenommen." Ihren Blog "Nachrichten einer Leuchtturmwärterin" finden sie bei Substack. Ihre Beiträge im Extradienst sind Übernahmen mit ihrer freundlichen Genehmigung.

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Schmierenkomödiant oder Erpresser?

Wer in den letzten Tagen Nachrichten verfolgte, kann in den ohnehin schon durch neurotisch gesteigertes Eigenlob und peinliche Eitelkeit geprägten Äußerungen Donald Trumps eine Steigerung ins Penetrante erkennen. Ob Altersstarrsinn oder infantiler Trotz – was sein bei jeder unpassenden Gelegenheit aufgeführtes Quengeltheater hervorruft, ist egal. Das Schokoladeneis, das er Friedensnobelpreis nennt, hat der inzwischen vom biologischem Alter gezeichnete, geistig jedoch auf dem Niveau eines Siebenjährigen stehengeliebene nun wieder nicht bekommen. Obwohl die reale Preisträgerin rechtskonservativ ist, hat er sie und das Preiskommitee erst einmal öffentllich beschimpft. Sein Tick, für alles, was ihm missfällt, vom Gendern bis zu China, Joe Biden verantwortlich zu machen, wächst weiter.

Donald Trump ähnelt dabei immer mehr seinem Namensvetter Donald Duck, der lebenslang sein eigenes Versagen in heroische Siege umdeutet und die Verantwortung für Fehlschläge grundsätzlich den Anderen zuschiebt, sei es sein Nachbar Schundnickel, sein Onkel Dagobert oder die Neffen Tick, Trick und Track. Seine Hassprojektion trifft Gustav Gans, der wie Trumps Feindbild Joe Biden an allem schuld ist. Zwischen bei nüchterer Betrachtung  lächerlich anmutender Hybris und offensichtlicher strategischer Dummheit, die sich unter anderem im Umgang mit Wladimir Putin zu beweisen scheint, verläuft dabei ein schmaler Grat. Seine Auftritte im Kreise höriger Komplizen, die speichelleckend seine Verdrehungen von Fakten zu einer “alternativen Realität” sowohl unterstützen, als auch als Lautsprecher verstärken, unterschreiten inzwischen das Niveau von Pippi Langstrumpfs “widdewiddewitt, mach mir die Welt, wie sie mir gefällt” um ein gutes halbes Lichtjahr.

Feigheit und Kriechertum schützen vor Realität

Trotzdem wagt es niemand aus der industriellen, angeblich demokratischen Weltelite des “Westens” (erinnern Sie sich noch an Joe Kaeser, Siemens-Chef bei Trumps 1. Amtszeit?),  diesem offensichtlichen Vollpfosten Widerworte zu geben oder gar, ihn so lächerlich zu zeigen, wie er wirklich ist. Ob nach Beendigung seiner Amtszeit ein “Kriechensnobelpreis” für Staatschef:innen, Konzernlenker und Journalist:innen vergeben wird, ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil – selbst wenn die Dotierung auf einen Euro pro Preisträger gesenkt würde, – noch Millionen Preisträger infrage kämen und Nobels Stiftung anschließend pleite wäre. Aber Progagandaminister J.D. Vance und die Minister für Medienkontrolle, Elon Musk und  für Gedankenkontrolle, Peter Thiel, werden wohl alles versuchen, die nächste offene und freie Wahl zu manipulieren oder zu verhindern. Ob sie Trump für eine bisher nicht legale dritte Amtszeit überhaupt noch brauchen, haben die Protagonisten des Tech-Faschismus wohl noch nicht entschieden.

Diplomatie wird zur Threrapiesitzung

Seit Trumps Wiederwahl behandelt ihn die internationale Diplomatie wie eine entsicherte Handgranate. Es begann mit der Gratulation durch NATO-Generalsekretär Rutte. Schon seine Wahl war offensichtlich eine Entscheidung, die von therapeutischen Erwägungen geprägt wurde. Gehörte doch das geschickte Eingehen des Niederländers auf den gruppendynamischen Hammer Trump trotz dessen ungehobeltem Benehmen auf G 7- und G 20-Treffen zu seinen früh bewiesenen Stärken. Sein Vorgänger Stoltenberg hatte bei weitem nicht dieselbe besänftigende Wirkung. Ruttes Erstkontakt mit Trump war gezielt eine derart schwülstige und unterwürfige Begrüßung, dass vielen europäischen Beobachter:innen davon schlecht werden musste. Spätestens nach der krassen Brüskierung Wolodomir Selenskijs durch den Despoten im Weißen Haus, der keine Skrupel hatte, einfach mal öffentlich Täter und Opfer im Ukrainekrieg zu vertauschen, übte selbst Neukanzler Friedrich Merz, durch welche Gesten und Geschenke er Trump bei dessen Eitelkeit packen und ihm Bauchpinseln könne.

Vorauseilende Unterwerfung als Erfolg verkauft

Das Ergebnis waren zum einen das opportunistische Eingehen der NATO-Mitglieder auf Trumps 2,5% und bis zu 4% Rüstungswahn und das freiwillige Zugeständnis der EU, für den Export von Stahl und Stahlerzeugnissen “nur” 25% Zölle hinzunehmen. Nicht nur Merz, sondern auch Keir Starmer und Ursula von der Leyen haben sich voller Opportunismus, um schwereren Schaden von der EU und  ihren Volkswirtschaften abzuwenden, auf erpresserische “Deals” mit Trump eingelassen. Was gegenwärtig in der internationalen Öffentlichkeit stattfindet, ist ein Schmierentheater erster Güte, das von den Beteiligten teils zur Rettung ihrer eigenen Allerwertesten und der Autorität vor der irregeführten Bevölkerung im besten macchiavellistischen Sinn, dass in der Not der Zweck die Mittel heilige, durchgezogen wird.

Putin nimmt Europa für Trump als Geisel

Gleichzeitig führt Trump die Weltöffentlichkeit, abgesehen von seinen Drohungen und Eskapaden gegenüber China, Indien und Südamerika, aber besonders Europa ständig vor. Sein Treffen mit Putin in Alaska war in der Sache ein politisches Desaster – für die Ukraine und für den Frieden in Europa.

Medien und die demokratische Öffentlichkeit in den NATO- und G-20 Staaten fragen sich immer wieder, welche Druckmittel Putin möglicherweise gegen Trump in der Hand habe, um seine immer wieder zu milde und beschwichtigende Haltung gerade im Ukraine-Krieg zu erklären. Natürlich gehört dazu auch die naheliegende Vermutung, dass Trump Putins Wohlwollen im Sicherheitsrat der UNO bräuchte, würde er von seiner Absicht Gebrauch machen, Grönland völkerrechtswidrig zu besetzen und zu annektieren. Aber ist das wirklich nicht nur eine Spekulation auf dem Niveau von Verschwörungstheorien?

Eine andere Motivation, die Trump immer wieder dazu bringen könnte, gegenüber Putin einzulenken, ist vielleicht viel einfacher erklärlich:

Ohne Ukrainekrieg: Wirtschafts- und Zollkrieg EU – USA?

Stellen wir uns einmal die Frage, was die EU eigentlich davon abhält, mit den USA und Trumps verrückten Zollforderungen einen ähnlichen Wirtschaftskrieg um Zölle und Wirtschaftsinteressen zu führen, wie es China und Teile der BRICS-Staaten tun. Die EU kann es sich derzeit keinesfalls leisten, weil sie nicht nur ökonomisch, sondern vor allem militärisch von den USA abhängig ist. Ganz Europa und nicht nur die Ukraine sitzen derzeit in der Falle der Abhängigkeit von US-Waffenlieferungen und Kriegslogistik und des strategisch unverzichtbaren Satellitensystems “Starlink” von Elon Musk. Und die USA haben auch den Daumen auf den Tomahawk-Raketen mit großer Reichweite.

Die EU ist kurzfristig gezwungen, US-Waffen wie etwa die völlig überteuerte F-35 zu kaufen, bei der Trump nach Expertenmeinung vermutlich über einen Abschaltknopf verfügt, wenn jemand damit seinem Freund Putin zu sehr auf die Pelle rücken sollte. Der Ukrainekrieg ist für Trump das nahezu vollkommene Druckmittel, um die EU politisch zu jedem Zugeständnis zu erpressen, weil sie politisch jede Glaubwürdigkeit verlöre, würde sie die Ukraine Putin überlassen. Und weil sie so weit abgerüstet hat, dass sie aus eigener Kraft Putin derzeit nicht glaubwürdig abschreckend imponieren kann.

Ein Ende des Ukrainekriegs ist nicht in Trumps Interesse

Kein Wunder, dass Trump nun dem Wunsch Wolodomir Selenskijs, Tomahawk-Raketen mit großer Reichweite durch die EU für ihn kaufen zu lassen, nicht entsprochen hat. Denn was Trump gar nicht braucht, wäre ein Frieden in der Ukraine, der der EU den Rücken frei hält, ihre ureigenen wirtschaftlichen Interessen gegenüber den USA wieder repressionsfrei zu verfolgen. Deshalb wird es bei den bevorstehenden Verhandlungen von Trump und Putin höchstwahrsheinlich auch keinen Friedensschluss zwischen Russland und der Ukraine geben. Offen ist allein die Frage, wie es Trump schaffen wird, ein Scheitern der Verhandlungen entweder der EU, der  Ukraine oder Putin, allen drei oder Joe Biden in die Schuhe zu schieben. Den ersten Schritt hat er vorgestern schon getan, indem er schrittweise immer weiter von seinem Satz abrückt, die Ukraine “könne ihr Land zurückerobern”, der Ukraine dann die Tomahawk-Raketen versagte und ganz aktuell wieder davon spricht, dass die derzeitigen Kampflinien eingefroren werden sollten und die Ukraine ihre Industriegebiete im Osten an Russland abtreten solle. Zwei Wendungen hin und zurück um 180 Grad innerhalb von fünf Wochen – Putin wird sich ins Fäustchen lachen – er hat ja mal wieder mit Trump telefoniert.

Für den ist dieses Spiel völlig ohne Risiko, solange sich die demokratische Öffentlichkeit und die Staatschefs der “westlichen Demokratien” nicht den Realitäten stellen, sich ohne die USA neu ordnen und gegen Oligarchen, Antidemokraten und Verrätern der Grund- und Menschenrechte – auch in den eigenen Reihen konsequent vorgehen. Das betrifft Meloni, Orban und die PIS-Partei Kaczyńskis ebenso wie die deutsche AfD, Marine Le Pen und die Putin-Freunde in der Regierung des EU-Beitrittskandidaten Serbien.

Ungarn als Verhandlungsort ist eine Provokation der EU

Die Tatsache, dass Donald Trump angekündigt hat, Wladimir Putin in Ungarn treffen zu wollen, um über den Krieg in der Ukraine zu sprechen, ist eine außenpolitische Provokation. Ungarn ist der einzige EU-Staat, in dem sich der korrupte Staatschef Viktor Orban weigert, EU-Recht durchzusetzen und angekündigt hat, auch den Haftbefehl des Internationalen Gerichtshofs für Menschenrechte in Den Haag gegen Putin nicht vollstrecken zu wollen. Natürlich geht es Trump darum, Orban, der im Wahlkampf um die im nächsten Jahr bevorstehenden Präsidentschaftswahlen zurückliegt, auf diesem Weg Wahlkampfhilfe zu leisten, deutlich über das hinaus, was Musk und die Tech-Oligarchen auf den (a)sozialen Netzwerken auch in der Bundestagswahl an Manipulation beigetragen haben. Die EU sollte sich deshalb hüten, dem Theaterspiel in Ungarn durch ihre Teilnahme mehr Aufmerksamkeit und Bedeutung als nötig zu verleihen. Denn die offene Frage bleibt, ob bei Trump der Impuls, nun erneut “einen Friedensschluss gestiftet zu haben” und damit die Befiedigung seiner Eitelkeit siegen, oder das ökonomische Interesse, dass eine als Kriegsunterstützerin der Ukraine geforderte EU sich einen Wirtschaftskrieg mit den USA ökonomisch einfach nicht leisten kann.

Anders als beim letzen Treffen?

Anders als in Alaska gibt es diesmal zwar eine Vorbereitung durch Arbeitsgruppen, Kontakte auf diplomatischer Ebene zwischen den USA und Russland. Das könnte Hoffnung bedeuten, wären da nicht die beschriebenen Interessengegensätze und die entsprechenden wiederholten Forderungen Trumps nach Gebietsabtretungen an die Ukraine. Eine Chance auf eine Perspektive der Ukrainer:innen, dass die permanente nächtliche Terrorisierung der Bevölkerung in absehbarer Zeit ein Ende findet, scheint wieder einmal unmerklich zu diffundieren – weil genau das Trumps Interessen entspricht.

extradienst.netSchmierenkomödiant oder Erpresser? – Beueler-Extradienst
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